Flow – Wenn es automatisch passiert

Den Flowzustand kennen wir alle. Am einfachsten lässt er sich beschreiben als das völlige Versinken in einer Tätigkeit. Häufig vergisst man gänzlich die Uhrzeit, ist vollkommen konzentriert, hat die volle Kontrolle über die Tätigkeit und ist ungewöhnlich viele Stunden offline bei Whats-App. Dieser Zustand macht häufig glücklich.

Was steckt dahinter?

Um das zu erklären, brauchen wir einen Exkurs in die Psychologie.

Lauri Järvilehto beschreibt es als hätte man „two minds in one brain“- zwei Köpfe im Gehirn. Einer ist für alles bewusste Denken und Reflektieren zuständig. Jetzt gerade, beim Lesen dieses Artikels nutzt du vor allem diesen Teil.

Der zweite ist für alles unbewusste Denken und Handeln zuständig. Er ist Kern unserer Intuition. Wenn man einen Gedankenblitz hat, kommt dieser aus dem unbewussten Denken in das bewusste Denken. Das Gefühl im Flow zu sein kommt ebenfalls aus diesem Teil. Intuition und Flow liegen also sehr nah beieinander. Das bewusste Denken ist quasi offline. Dieser Teil ist tief in uns verwurzelt, leistungsfähig und erfasst, trotz der hohen Konzentration auf eine Tätigkeit, enorm viele Prozesse. Wir werden uns dieser Prozesse im Zweifel aber nie bewusst. Kreativität und Spontanität sind in diesem Zustand jedoch nicht ausgeschlossen.

Wie erreicht man diesen Zustand?

Idealerweise muss man die Tätigkeit, in der man versinken möchte, schon kennen und mindestens ein bisschen können. Um etwas gänzlich Neues zu lernen, braucht man das „bewusste mind“. Alles, was dieses aktiviert, verhindert den Eintritt in den Flow. Störquellen sollten so gut es geht außer Reichweite gebracht werden. Das Smartphone muss also mindestens auf lautlos gestellt werden.

Die Tätigkeit darf nicht zu einfach und nicht zu schwierig sein. Wenn sie zu einfach ist, wird es langweilig und der Flow stellt sich nicht ein. Wenn es zu schwierig wird, kommt schnell das Gefühl der Überforderung. Die Tätigkeit muss also zu den eigenen Fähigkeiten passen. Um in den Flow zu kommen, braucht es außerdem ein festes Ziel, wie dies auch immer aussieht.

Diagramm Anforderung und Fähigkeiten um den Flow zu erreichen.

Prinzipiell kann das Flowgefühl bei jeder Tätigkeit kommen, aber Oliver Stoll sagt: „Sie müssen das schon wollen und mögen, was sie da tun, damit sie Flow erleben“. Es lohnt sich nicht, ihn krampfhaft herstellen zu wollen. Er kommt einfach, er stellt sich ein, wenn man sich Zeit nimmt und die richtigen Bedingungen schafft.

Lernen im Flow

Lernen im Flow ist möglicherweise der mächtigste Zustand für ein Lernergebnis. Durch das vollständige Fokussiert sein und das Investieren von Zeit, die aber als kurzweilig empfunden wird, kann die Tätigkeit gut verinnerlicht werden. Csíkszentmihályi bezeichnet Flow als „positive Sucht“. Es ist attraktiv, in dieser Art und Weise zu lernen. Wenn man diese Sucht zum Lernen nutzt, hat man ideale Bedingungen für einen Erfolg darin.

Flow im Bogenschießen

Das Bogenschießen ist eine komplexe Anforderung an die Motorik. Ein Flowgefühl stellt sich daher erst mit ein wenig Übung ein. Hier gilt es auch das nötige Maß an Anforderung zu seinen eigenen Fähigkeiten zu finden. Auch beim Bogenschießen ist Klarheit darüber hilfreich, was das eigentliche Ziel für sich selbst ist. Hierbei muss nicht die Mitte, zwingend die Mitte der Scheibe das Ziel sein. Den erst, wenn das Ziel zu den eigenen Fähigkeiten passt, dann kann auch die Automatisierung und damit das Flowgefühl aufkommen.

Wenn sich Automatismen eingestellt haben, kann es spannend werden, die Aufmerksamkeit wieder zurückzuholen, um sich selbst über die Prozesse bewusst zu werden, die möglicherweise schon vollständig verinnerlicht sind.

Hin und wieder ist die volle und bewusste Aufmerksamkeit sogar wichtig. Das Flowgefühl kann beim Autofahren möglicherweise sogar gefährlich sein. Der Körper agiert dann sozusagen nur noch auf Autopilot und ist nicht mehr so aufmerksam. Der Nobelpreisträger Daniel Kahneman (Taschenbuch: Thinking, Fast and Slow) sagt zu diesem Thema sinngemäß: Immer wenn du spürst, dass dein System 2 (Intuition) dein Handeln übernimmt, pass verdammt gut auf.

Hier schließt sich der Kreis, den beide Systeme ergänzen sich gegenseitig zur Optimierung des Ganzen.

 

 

Mehr zu dem Thema findet man in dem Artikel: Järvilehto, L. (2016). Intuition and Flow. In: Harmat, L., Ørsted Andersen, F., Ullén, F., Wright, J., Sadlo, G. (eds) Flow Experience. Springer, Cham. https://doi.org/10.1007/978-3-319-28634-1_7

Schnelles Denken, langsames Denken (englischer Originaltitel: Thinking, Fast and Slow) ist ein Buch von Daniel Kahneman, der seine oft gemeinsam mit Amos Tversky durchgeführten Forschungen aus mehreren Jahrzehnten zusammenfasst.

Oder hier: